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„ak“ 615, April 2016
Tabakarbeiterinnen
Die Tabakwerke im Salzburgerischen Hallein waren nicht typisch für Fabriken vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Mehrheitlich verdienten die dort angestellten Frauen mehr als Männer in anderen Betrieben der Region. Damit übernahmen sie die Versorgung ihrer Familien und waren nicht die üblichen »Zuverdienerinnen«. Viele organisierten sich gewerkschaftlich und sozialdemokratisch, sie waren bekannt für ihr Selbstbewusstsein und kämpften gegen übergriffe der (männlichen) Vorarbeiter, für höhere Löhne und bessere Sozialleistungen. Die Neuauflage des 1988 erstmals erschienenen Buches von Ingrid Bauer ist nicht nur wegen der Beschreibung des Widerstandes der Frauen interessant, sondern auch weil eine »Arbeitergeschichte« erzählt‘ wird; die über die Fabrik hinaus geht. Der Alltag der Frauen (und wenigen Männer) wird von ihrer Kindheit bis hin zur Schließung der Tabakproduktion beschrieben: das Wohnen, die Arbeit im Haushalt, das Weggeben der Kinder und die eigene Kindheit – entfernt von der leiblichen Familie etc. Nicht zuletzt wird sichtbar, dass die Frauen doppelte Arbeit leisteten, weil sich die Männer bis auf Ausnahmen nicht an der Hausarbeit beteiligten. Die Autorin erzählt nicht nur eine widerständige Regionalgeschichte der Arbeit innerhalb und außerhalb der Fabrik. Sie macht auch Lebens- und Geschlechterverhältnisse sichtbar, die in der üblichen Geschichtsschreibung der Arbeiterbewegung selten vorkommen.
Robert Foltin
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