Medienkritik zu "Erwitte - "Wir halten den Betrieb besetzt""

Zurück zum Produkt

„ARBEIT BEWEGUNG GESCHICHTE“ 1/ 2016

“ … ein Schlüsselmoment in der jüngeren Gewerkschaftsgeschichte“

Am 10. März 1975 verweigert die Frühschicht des mittelständischen Zement-herstellers „Seibel und Söhne“ im niedersächsischen Erwitte den Arbeitsantritt und besetzt das Werk, in dem 151 Beschäftigte arbeiten. Aus Protest gegen eine Entlas-sungswelle werden Tore mit Lastwagen unpassierbar gemacht, die Anlagen heruntergefahren und der Betrieb eingestellt. Die zweite Schicht schließt sich an, und die Besetzung dauert fast zwei Monate, bis sie am 2. Mai 1975 in einen regulären Streik umgewandelt wird. Es folgt eine jahrelange juristische Auseinandersetzung zwischen der IG Chemie und dem Firmenchef, in der die Gewerkschaft Verletzungen von Arbeitsrecht und ungerechtfertigte Kündigungen beklagt, der Firmenchef die Besetzung als illegalen Akt kriminalisieren will und Schadensersatz fordert.

Vierzig Jahre nach dieser ungewöhnlichen Eskalation eines Arbeitskampfes widmet Dieter Braeg den Ereignissen einen Sammelband, in dem historische Aussagen und Dokumente der Streikenden und ihrer Solidaritätskomitees versammelt sind, ein-geleitet mit einem Vorwort und einer vom Hrsg. zusammengestellten Chronologie der Ereignisse, die den Zeitraum 1973 bis 1986 umfasst. Eine beiliegende CD-ROM bietet weiteres Quellenmaterial, darunter ein 102-seitiges Urteil des Landesarbeitsgerichts zur Frage von Schadensersatzansprüchen im Rahmen der gewerkschaftlich unterstützten, aber nicht gewerkschaftlich geführten Betriebsbesetzung.  Ebenso findet sich auf der CD weiterführendes Material zur Frauen-Solidaritätsgruppe, in der sich Ehefrauen und Angehörige der Zementarbeiter für den Betriebskampf einsetzten – für viele Frauen die erste politische Aktivität überhaupt und ein Zeichen dafür, wie die Frauenbewegung der 1970er-Jahre auch in einer bundesdeutschen Kleinstadt wie dieser mit 13 000 Einwohnerinnen in der niedersächsischen Provinz Wirkung entfaltete. Die Frauengruppe nimmt dement-sprechend zentralen Raum im Band ein, neben dem Material auf der CD findet sich im gedruckten Teil ein 90-seitiger Erfahrungsbericht zu ihrer Arbeit, begleitet von einer Einordnung der Historikerin Gisela Notz mit dem Titel „Der Abschied von der braven Hausfrau“.

Weiterlesen


„Zeitschrift Sozialismus 1-2016“

Streikrecht: Aktuelle Fragen am Beispiel eines Arbeitskampfes von 1975

Pierburg, Kalldorf, Erwitte – diese Na­men stehen für Betriebe, in denen zwi­schen 1973 und 1977 neue Arbeitskampfformen erprobt wurden. Zu dem Streik der Frauen in Pierburg liegt schon ein von Dieter Braeg herausgege­bener Band vor.1 Inzwischen erschien auch das Buch über die Besetzung des Zementwerkes Seibel & Söhne in Erwitte in Westfalen im Jahr 1975.

Manch eine/r erinnert sich vielleicht noch an die kleinen Zementsäckchen, die man für einen Solidaritätspreis von 1 DM kaufen konnte. Zeitungen und Fernsehen berichteten bundesweit. Es war die erste Betriebsbesetzung in der Bundesrepublik. Dieter Braeg weist zu Recht darauf hin, dass selbst in den Zentren der Rätebewegung nach dem Ersten Weltkrieg Betriebsbesetzungen kein Thema waren (S. 7).2 In der Würdigung dieses Arbeitskampfes durch das Bundesarbeitsgericht spielte die Betriebsbesetzung allerdings kaum eine Rolle.3 Dem Bundesarbeitsge­richt reichte, dass dieser Arbeitskampf nach seiner Meinung schon aus anderen Gründen rechtswidrig war.

Weiterlesen


„express“ 10-2015

Erwitte 1975 – ein deutsches Märchen?

Betrieb besetzt und dann 449 Tage Streik

von Anton Kobel

»Beton – es kommt drauf an, was man draus macht!« – Die Besetzung des Zementwerks Erwitte war vermutlich die erste Besetzung in der Geschichte der Bundesrepublik, jedenfalls ein für die hiesigen Verhältnisse bemerkenswerter Vorgang und ist es noch heute – nicht nur wegen der immensen gesellschaftlichen Unterstützung, die dieser Kampf erfuhr, sondern auch, weil er unter Bedingungen geführt wurde, die so ›historisch‹ gar nicht sind, wie es scheint; der Kampf gegen Betriebsschließungen, Arbeitsplatzverlagerungen und damit verbundene Zerstörung von Existenzgrundlagen ist so aktuell wie je, schon gar, wenn er unter Krisenbedingungen stattfindet. Das Verdienst, diese Besetzung und den anschließenden, fast eineinhalb Jahre dauernden Streik (von den Nachwirkungen ganz zu schweigen) dem Vergessen entrissen zu haben, gebührt Dieter Braeg, der uns schon das schöne Büchlein über den Streik der Frauen beim Autozulieferer Pierburg in Neuss für die Abschaffung der »Leichtlohngruppen« beschert hat – auch eine dieser wegweisenden Auseinandersetzungen der 70er Jahre, bei denen man schnell fündig wird, wenn es um Parallelen und Vergleichsmöglichkeiten geht. Das Ende von Erwitte werden wir hier nicht verraten, nur eins: Es wird nicht bei einem Datum bleiben, wenn man sich auf die Lektüre einlässt.

Weiterlesen


„Ossietzky“ 12/2015

Aufruhr in der Provinz

Vor 40 Jahren fand in einer westfälischen Kleinstadt die erste Betriebsbesetzung in der Geschichte der Bundesrepublik statt.

Mieterproteste, Blockupy oder Stuttgart 21 – heute gelten Städte als Mobilisierungsraum gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Ignoriert werden dabei häufig die »kleinen« Kämpfe in der Provinz, die ohne große öffentliche Beachtung von abhängig beschäftigten Menschen ausgefochten werden und ebenfalls von einem Geist der Rebellion geprägt sind. Der Berliner Verlag Die Buchmacherei füllt diese Leerstelle, indem er diese (fast) vergessenen, aber ungewöhnlichen Arbeitskämpfe ans Licht holt (siehe auch Ossietzky 24/2014).

Weiterlesen


„Neues Deutschland“ 15.5. 2015

Erwitte feiert Jubiläum

Neues Buch zu erster Fabrikbesetzung in der BRD

»Keiner, auch der Seibel nicht, keiner schiebt uns weg«. Das von der Liedermacherin Fasia Jansen umformulierte Streiklied erinnert an einen besonderen Arbeitskampf in der nordrheinwestfälischen Kleinstadt Erwitte. 150 Beschäftigte hatten dort am 10. März 1975 das Zementwerk Seibel & Söhne besetzt, um gegen Massenentlassungen zu protestieren.

Weiterlesen


Zurück zum Produkt