Medienkritik zu "Riders unite! Arbeitskämpfe bei Essenslieferdiensten in der Gig-Economy – das Beispiel Berlin"
Zurück zum Produkt„Jungle World“ 24-2021 v. 17.6.2021
17.06.2021 Robin de Greef, Autor, im Gespräch über die gewerkschaftliche Organisation von Fahrradkurieren
»Die Organisierung hat an Schwung verloren«
Interview Von Petzer Nowak
Was hat Sie an dem Thema »Arbeitskämpfe bei Essenslieferdiensten« so interessiert, dass Sie erst Ihre Bachelorarbeit und dann noch ein Buch zum Thema geschrieben haben?
Die Lieferdienste, um die sich das Buch dreht, sind Teil der Gig Economy. Das ist ein Bereich des Arbeitsmarkts, in dem prekäre Dienstleistungsjobs über digitale Plattformen vermittelt werden. Dadurch sind die »Rider« genannten Kurierfahrerinnen und -fahrer im Arbeitsalltag tendenziell vereinzelt. Gleichzeitig gibt es eine hohe Fluktuation in der Belegschaft, weil die meisten entweder befristet oder als Soloselbständige beschäftigt sind und den Job häufig als Übergangslösung sehen. Mich hat vor allem interessiert, wie gewerkschaftliche Organisierung unter diesen Bedingungen möglich ist und welche Rolle dabei Basisgewerkschaften wie die FAU spielen, die in vielen Ländern an Arbeitskämpfen in der Gig Economy beteiligt sind. Ich wollte meine Bachelorarbeit nicht in einer Schublade verstauben lassen. Nach Rücksprache mit der Deliverunion und meinen Interviewpartnerinnen und -partnern habe ich mich deshalb daran gemacht, den Text zugänglicher zu gestalten und zu ergänzen. Daraus ist das Buch entstanden.
»Meist fangen diese Unternehmen als kleine Start-ups an, dahinter stehen aber Investorinnen und Investoren mit gigantischen Mengen an Risikokapital.«
Die Deliverunion war eine Kampagne der anarchosyndikalistisch orientierten Gewerkschaft FAU. Ziel war, die Arbeitskämpfe der Arbeiterinnen und Arbeiter der Lieferdienste Deliveroo und Foodora zusammenzuführen. Die Kampagne fand ein großes Presseecho. Warum ist das für die Medien so interessant, obwohl doch die Welt der Arbeit sonst keine zentrale Rolle spielt?
Zunächst mal kommt man im Alltag fast automatisch mit den Ridern in Berührung, die mit ihren auffälligen Rucksäcken vielerorts das Stadtbild prägen. Gleichzeitig hängen an der Lieferdienst-App ja nicht nur die Rider, sondern auch die Restaurants und die Kundschaft. Das Aufkommen der Plattformen verändert also nicht nur die Arbeitswelt, sondern auch das Alltagsleben und die Esskultur. Es gibt beispielsweise bereits »Geisterrestaurants« ohne eigenen Gastraum, die nur für den Online-Lieferservice kochen. Und man kann sich mittlerweile von Lieferdiensten wie Gorillas sogar den kompletten Wocheneinkauf direkt vor die Haustür bringen lassen. Allgemein erscheint das ganze Thema sehr zukunftsträchtig, weil Digitalisierung, Technik und auch Überwachung dabei eine Rolle spielen. Anzeige
Wie funktioniert denn das Geschäftsmodell der Gig Economy, zu der die Lieferdienste zählen?
Plattformunternehmen wie Lieferando oder Uber stellen primär die Software bereit. Die Arbeitskraft und auch die meisten Produktionsmittel steuern dann die Beschäftigten und – im Fall der Lieferdienste – die Restaurants bei. Koordiniert wird das alles durch App-basiertes Management. Lieferando beispielsweise hat in vielen Städten gar keine eigenen Büros, es wird stattdessen alles aus der Zentrale gesteuert. Das macht es für solche Unternehmen sehr einfach, an neue Standorte zu expandieren.
Meist fangen sie als kleine Start-ups an, dahinter stehen aber Investorinnen und Investoren mit gigantischen Mengen an Risikokapital, die hoffen, dass ihre jeweilige Plattform in kürzester Zeit den Markt übernimmt. Die Plattformunternehmen verbrennen darum zunächst jede Menge Geld, um zu wachsen, ihre Preise niedrig zu halten und mit verhältnismäßig guten Arbeitsbedingungen genügend Beschäftigte zu gewinnen. Wenn sie sich etabliert haben, erhöhen sie dann fast immer die Preise und verschlechtern die Arbeitsbedingungen, um profitabel zu werden.
Wie kam es unter diesen schwierigen Bedingungen trotzdem zur gewerkschaftlichen Organisation bei den Ridern?
Die Rider sind zwar tendenziell vereinzelt, aber auf der Straße füreinander gut sichtbar. Weil alles nur über die App gesteuert wird, entzieht es sich dem Management, wenn sie sich untereinander vernetzen. Die von Ridern oft erlebte Intransparenz wirkt also auch in umgekehrter Richtung. Ein Schlüsselereignis für die Organisierung bei den Lieferdiensten war auf jeden Fall ein siebentägiger wilder Streik von 200 Deliveroo-Ridern in London im August 2016. Anknüpfend daran gab es in weiteren britischen Städten Proteste und im Oktober 2016 haben auch Rider bei Foodora in der norditalienischen Stadt Turin gestreikt. Im folgenden Jahr gab es dann Arbeitskämpfe in ganz Europa und darüber hinaus. Auslöser war oft, dass die Lieferdienste versucht haben, unternehmerische Risiken stärker auf die Rider abzuwälzen, zum Beispiel durch die Bezahlung pro Lieferung anstelle eines festen Stundenlohns. Auch die meisten Berliner Rider, mit denen ich gesprochen habe, hatten erlebt, wie die Arbeitsbedingungen schrittweise immer weiter verschlechtert wurden.
Heute hört man von der Deliverunion kaum noch etwas. Ist die gewerkschaftliche Organisation dort gescheitert? Wo sehen Sie Grenzen für die gewerkschaftlichen Organisation bei den Lieferdiensten?
Auf Dauer stellt vor allem die hohe Fluktuation in der Belegschaft ein großes Problem dar, weil sie die Mobilisierung neuer Kolleginnen und Kollegen zu einer Daueraufgabe macht. Darum hat die Organisierung in Berlin an Schwung verloren, noch bevor sich Deliveroo 2019 vom deutschen Markt zurückgezogen hat und Foodora von Lieferando geschluckt wurde. Ein weiteres Problem war, dass Verbesserungen der Arbeitsbedingungen nicht der Deliverunion zugerechnet wurden, weil sich die Lieferdienste weitgehend geweigert hatten, die FAU als Verhandlungspartnerin anzuerkennen. Einige der zentralen Forderungen an Deliveroo und Foodora wurden aber offenbar dann von Lieferando erfüllt. Es gibt jetzt zum Beispiel eine geringe Kilometerpauschale für die Instandhaltung der Fahrräder und in einigen Städten werden auch Leihräder gestellt. In der FAU Berlin hat sich mittlerweile eine Lieferando-Betriebsgruppe gegründet und Rider haben auch schon mit Protestaktionen auf sich aufmerksam gemacht, etwa während des Schneechaos im Februar dieses Jahres. Auch bei den neuen Lieferdiensten Gorillas und Wolt gibt es Betriebsgruppen. Bisher haben die sich aber noch nicht wieder unternehmensübergreifend als Deliverunion organisiert.
Sie sind in einem Kapitel auch auf die Initiative »Liefern am Limit« eingegangen, die in der DGB-Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) organisiert ist und bei Foodora und Lieferando zahlreiche Betriebsräte gegründet hat. Gab es Kontakte zur Deliverunion?
Leider kaum. Die einzige sichtbare Kooperation hat vermittelt über einen von dem Verein »Aktion gegen Arbeitsunrecht« organisierten bundesweiten Aktionstag stattgefunden, nachdem »Liefern am Limit« in Köln einen Betriebsrat gegründet und Deliveroo daraufhin bundesweit Rider nur noch als Soloselbständige eingestellt hat – die ja bekanntlich keine Betriebsräte gründen können. Ansonsten wurde aber die Möglichkeit weiterer städteübergreifender Aktionen verschenkt. Besonders schade ist das, da bei beiden Initiativen die Selbstorganisation der Rider an der Basis zentral war. Anscheinend hat der Umstand, dass die NGG und die FAU beide nur bedingt zur Zusammenarbeit bereit waren, die Rider gewissermaßen voneinander ferngehalten.
Warum haben Sie in Ihrem Buch eine Solidaritätsaktion von bei Verdi gewerkschaftlich organisierten Taxifahrern mit den Ridern in Berlin hervorgehoben?
Die Taxifahrer haben bei einer Demonstration von Deliveroo-Ridern auf ähnliche Probleme in ihren eigenen Arbeitsverhältnissen aufmerksam gemacht. Ich fand das ein schönes Beispiel branchenübergreifender Solidarität. In Großbritannien ging das noch weiter, da haben sich Rider im Oktober 2018 zusammen mit Fahrerinnen und Fahrern von Uber zu einem landesweiten Streik- und Aktionstag koordiniert. In Deutschland ist das Geschäftsmodell von Uber noch verboten, aber es gibt Plattformen, die recht ähnlich funktionieren. Auch in der Taxibranche werden oft Verantwortung und Kosten auf die Beschäftigten abgewälzt, zum Beispiel indem Wartezeiten zwischen einzelnen Aufträgen oder die Reinigung und Wartung der Taxis nicht bezahlt werden.
In der Covid-19-Pandemie expandieren die Lieferdienste. Sehen Sie hier Möglichkeiten für eine gewerkschaftliche Organisierung?
Lieferando hat im Winter und während des sogenannten Lockdowns Rekordumsätze erzielt. Gleichzeitig arbeiten die Rider weiterhin knapp über dem Mindestlohn. Dabei ist ihre Arbeit in der Pandemie eher noch fordernder und auch gefährlicher geworden. Ganz ähnlich sieht es bei anderen Unternehmen aus, die von der Krise profitieren, etwa bei Lebensmittel-Discountern oder im Versandhandel. Als Gewerkschaften diese Ungerechtigkeiten zu skandalisieren und sich für branchenübergreifende Organisierung einzusetzen, ist aus meiner Sicht derzeit besonders wichtig.
Kürzlich sorgte ein wilder Streik beim Lebensmittel-Lieferdienst Gorillas in Berlin für Schlagzeilen. Könnte das die Organisationsprozesse in der Branche wieder beschleunigen?
Das ist gut möglich. Zum einen haben die Streikenden ein Problem thematisiert, dass auch andere Rider betrifft, nämlich ihre Verwundbarkeit durch lange Probezeiten und befristete Arbeitsverträge. Zum anderen haben sie mit der Blockade von Warenlagern eine direkte Aktionsform ins Spiel gebracht, die in Deutschland bisher nicht präsent war. Und in der Vergangenheit hat sich immer wieder gezeigt, dass sich Forderungen und Aktionsformen unter den Ridern über Städte und Unternehmen hinweg verbreiten.
„Graswurzelrevolution“ 450, Sommer 2021
Proletarier*innen auf zwei Rädern
von Peter Nowak
Wer mit offenen Augen durch die Städte geht, wird schnell erkennen, dass die Lieferdienste zu den Gewinner*innen der Corona- Pandemie gehören. Doch wie immer im Kapitalismus profitieren die Besitzer*innen und nicht die Beschäftigten der Firmen. Ganz im Gegenteil! Der Gewinn beruht auf vielen schlecht bezahlten Jobs. Dagegen wehren sich seit mehreren Jahren die Beschäftigten verschiedener europäischer Länder und der USA auch gewerkschaftlich. In Berlin wurde 2016 mit Unterstützung der Basisbewegung Freie Arbeiter*innen Union (FAU) die Deliver- union gegründet, die schnell ein mediales Echo fand
„Den Forderungen der Riders wurde Legitimität eingeräumt und die FAU-Berlin überwiegend positiv dargestellt, während die Lieferdienste eher skeptisch betrachtet wurden“, schreibt der Göttinger Soziologe Robin De Greef in seinen Buch „Riders Unite!“. Es liefert einen knappen aber informativen Blick auf einen Organisationsprozess, der auch für viele der Betroffenen überraschend kam. „Manche sagen, dass wir die Unorganisierbaren organisieren. Also das sind Leute, die keinen Treffpunkt haben, sie haben kaum Möglichkeiten miteinander zu kommunizieren; ihre Schichten sind unregelmäßig und es gibt Fluktuation“, erklärte 2018 ein Mitglied der Deliverunion- Kampagne. Das Label war zum Motto dieses Organisationsprozess der Proletarier*innen auf zwei Rädern geworden. De Greef geht auf die Besonderheiten der Gig-Economy ein, zu der auch die Kurierdienste gehören. Gig-Economy bezeichnet einen Teil des Arbeitsmarktes, bei dem …
kleine Aufträge kurzfristig an unabhängige Selbstständige, Freiberufler oder geringfügig Beschäftigte vergeben werden. Kennzeichnend sind prekäre Arbeitsverhältnisse. Zudem werden die Lohnarbeitenden nur teilweise in betriebliche Zusammenhänge eingebunden. Einerseits werden die Beschäftigten als Selbstständige betrachtet, die die Plattformen nur nutzen, um Aufträge zu generieren. Andererseits gibt es bei der Arbeit oft eine umfassende Überwachung, beispielsweise über die Route der Kurierfahrer*innen.
Das Bild der autoritären Vorarbeiter*innen mit Chef- Allüren, das in den fordistischen Fabriken kennzeichnend war, wird bei den Kurierdiensten durch Vorgesetzte ersetzt, die scheinbar von nichts eine Ahnung haben. Das wird für die Beschäftigten zum Problem, wenn bei ihrer Arbeit Kompli- kationen auftreten. „Sie antworten normalerweise schnell. Aber nach ungefähr zwei Minuten wird der Chat blockiert und man muss einen neuen Chat starten, und natürlich weiß die neue Person nie was los ist“, zitiert De Greef eine Kurierfahrerin. Die zahlreichen Ausschnitte aus Gesprächen mit Beschäftigen in dem Buch geben einen guten Einblick in die Probleme, auf die sie im Arbeitsalltag stoßen. Hier wird auch deutlich, dass ein algorithmusgesteuertes System von Abmahnungen und Sanktionen an Repression den autoritären Strukturen in einer fordistischen Fabrik in nichts nachsteht. Hier sieht De Greef auch Widerstandspotentiale bei den Beschäftigten. Ob diese in gewerkschaftliche Organisierungsprozesse münden, hängt von vielen spezifischen Faktoren ab, auch von der Jahreszeit. Im Sommer, wo die Zahl der Riders größer ist, sind die Bedingungen günstiger als im Winter.
Die Berliner Deliverunion-Kampagne war durch eine Facebook- Gruppe entstanden, in der sich ca. 100 Beschäftigte kritisch mit ihren Arbeitsbedingungen auseinandersetzten. In den folgenden Jahren gab es zahlreiche Kundgebungen und Demonstrationen. Besonders positiv hebt de Greef hervor, dass sich die Taxi-AG bei ver.di, ein Zusammenschluss gewerkschaftlich organisierter Taxifahrer*innen, mit den bei der FAU organisierten Riders solidarisch erklärte. De Greef spricht von einem „beson- deren Beispiel unternehmens- und gleichzeitig gewerkschaftsübergreifender Solidarität“, die auch bei den Proletarier*innen auf zwei Rädern der Schlüssel zum Erfolg ist. In London koordinierten sich im August 2016 im Rahmen eines Aktionstages Rider von Deliveroo, Uber- Taxifahrer*innen und Beschäftigte von Fast-Food-Ketten wie Mc Donalds gemeinsam. Es ist eine dringend notwendige Suchbewegung der Arbeitskämpfe im digitalen Kapitalismus. Kurierfahrer*innen bilden einen wichtigen Teil der Lohnabhängigen im digitalen Kapitalismus. Sie haben in den letzten Jahren deutlich gemacht, dass sie für Verbesserungen ihrer Arbeitsbedingungen kämpfen und dabei auch Erfolge haben können, wie der sponante wilde Streik von über 100 Riders des Essenslieferanten Gorillas Mitte Juni in Berlin zeigte, nachdem ein Kollege entlassen worden war.
„SoZ“ 07-2021
Das leicht verständliche Buch von Robin De Greef liefert einen guten Überblick
von Peter Nowak
Immer mehr prägen Essenslieferdienste das Straßenbild großer Städte. Dabei wird oft vergessen, welche Arbeitsbedingungen in der Branche dominieren. Und immer wieder erinnern die Beschäftigten selber daran, dass Ausbeutung zum Geschäftsmodell gehört.
So begannen Mitte Juni Beschäftigte des Lieferdienstes «Gorillas» einen spontanen Streik, nachdem einem Kollegen in der Probezeit gekündigt wurde. Sie blockierten zwei Tage lang die Auslieferungslager von Gorillas in verschiedenen Berliner Stadtteilen. Schon im Februar waren Beschäftigte der Lieferdienste in Berlin in den Ausstand getreten, weil sie mitten in einer Kältewelle im Coronawinter weiterarbeiten sollten.
Unternehmen wie Uber, Deliveroo oder Gorillas laden das unternehmerische Risiko durch Scheinselbständigkeit auf die Beschäftigten ab. Vor einigen Jahren haben die begonnen, sich gewerkschaftlich zu organisieren. In Berlin wurde 2016 die Deliverunion gegründet. Sie fand schnell ein recht großes mediales Echo.
Der Göttinger Soziologe Robin De Greef hat in seinen Buch Riders Unite! diesen Organisationsprozess in kompakter Form beschrieben. Im ersten Kapitel geht De Greef auf die Besonderheiten der Gig-Economy ein, zu der auch die Kurierdienste gehören. Kennzeichnend sind prekäre Arbeitsverhältnisse. Einerseits werden die Beschäftigten als Selbständige betrachtet, die die Plattformen nur nutzen. Andererseits gibt es bei der Arbeit oft eine umfassende Überwachung, bspw. über die Route der Kurierfahrer:innen, was auch immer wieder für Schlagzeilen sorgt.
Die zahlreichen Ausschnitte aus Gesprächen mit Beschäftigten geben einen guten Einblick in die Probleme, auf die sie bei ihrer Arbeit, aber auch bei ihrer Organisierung stoßen. Die Berliner Deliverkampagne, die De Greef analysiert, ist durch eine Facebookgruppe entstanden, in der sich etwa hundert Beschäftigte kritisch mit ihren Arbeitsbedingungen auseinandersetzten. Als positives Beispiel hebt de Greef hervor, dass sich die Taxi-AG bei Verdi, ein Zusammenschluss gewerkschaftlich organisierter Berliner Taxifahrer:innen, mit den Riders solidarisierten.
Wir werden auch in den nächsten Jahren noch häufiger von Arbeitskämpfen der Riders hören. Denn die Branche boomt im digitalen Zeitalter, sie hat unter Corona-Bedingungen noch mal mächtig zugelegt.
Das leicht verständliche Buch von Robin De Greef liefert einen guten Überblick über die Möglichkeiten und auch die Probleme einer gewerkschaftlichen Organisierung in der Lieferbranche.
„ak“ 672, 15.6.2021
Scheinselbständigkeit auf den Schulternder Beschäftigten …
von Peter Nowak
Immer mehr prägen Essenslieferdienste das Straßenbild großer Städte. Unternehmen wie Uber, Deliveroo oder Gorillas (ak 671) laden das unternehmerische Risiko durch Scheinselbstständigkeit auf die Schultern der Beschäftigten ab. Seit mehreren Jahren haben die begonnen, sich gewerkschaftlich zu organisieren. In Berlin wurde 2016 die Deliverunion gegründet. Der Göttinger Soziologe Robin de Greef hat diesen Organisationsprozess in kompakter Form beschrieben. Er geht zunächst auf die Besonderheiten der Gig-Economy ein, zu der auch die Kurierdienste gehören. Kennzeichnend sind prekäre Arbeitsverhältnisse. Einerseits werden die Beschäftigten als Selbständige betrachtet, die die Plattformen nur nutzen. Andererseits gibt es bei der Arbeit oft eine umfassende Überwachung, beispielsweise über die Route der Kurierfahrer*innen. Die zahlreichen Ausschnitte aus Gesprächen mit Beschäftigten geben einen guten Einblick in die Probleme, auf die sie bei ihrer Arbeit, aber auch bei ihren Organisierungsversuchen stoßen. Die Berliner Deliverunion ist durch eine Facebook-Gruppe entstanden, in der sich ca. 100 Beschäftigte kritisch mit ihren Arbeitsbedingungen auseinandersetzten. Als positives Beispiel hebt de Greef hervor, dass sich die Taxi-AG bei ver.di mit den Riders solidarisierte. Angesichts der in Zeiten der Corona-Pandemie massiv gestiegenen Bedeutung der Lieferdienste liegt hier durchaus eine Perspektive.
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