Medienkritik zu "Skizzen – Arbeiterwiderstand in Südbayern"
Zurück zum Produkt„Sozialistische Zeitung“ (SoZ)12/2022
Gejagt und verraten
Die KPD Südbayern in den 20er und 30er Jahren
von Peter Nowak
Bayern ist als Ort der Reaktion schon in der Weimarer Republik bekannt. In München begann der Aufstieg der NSDAP. Nürnberg wurde zum Inbegriff der Reichsparteitage der NSDAP. Viel weniger ist über den linken Widerstand in Bayern bekannt.
Vielleicht ist gerade noch die Münchner Räterepublik ein Begriff, wird aber in der Regel als kurze Zeit des linken Chaos abgetan. Deshalb ist es umso verdienstvoller, dass der Historiker Max Brym auf knapp 80 Seiten eine kurze Geschichte des antifaschistischen Widerstands in Südbayern vorgelegt hat.
Brym wurde 1957 in Altötting geboren und ist seit Jahrzehnten in der linken Bewegung in Bayern aktiv. Darüber hat er auch in der Vergangenheit schon Bücher verfasst.
Zumeist in der Halblegalität
In seinem neuen Buch beginnt Brym ebenfalls mit den verschiedenen bayerischen Räterepubliken im Jahr 1919. Denn nicht nur in München, sondern auch in vielen kleineren bayerischen Städten riefen die Arbeitenden damals solche Räterepubliken aus. Darüber hat Michael Seligmann 1989 im Trotzdem-Verlag ein sehr informatives Buch unter dem Titel Aufstand der Räte herausgegeben, das allerdings nur noch antiquarisch zu bekommen ist. Leider wird es nicht in Bryms Literaturliste angeführt. Doch es ist sehr wahrscheinlich, dass er es gelesen hat. Denn mehrmals erwähnt er die Räterepubliken in Kolbermoor oder Rosenheim, die trotz ihrer schnellen Niederschlagung Auswirkungen auch auf den Widerstand gegen den Faschismus ab 1933 hatten. Denn die wenigen Wochen der Räterepubliken haben zur Politisierung einer ganzen Generation von Arbeiter:innen geführt, die sich trotz der massiven Repression nicht brechen ließen. Dabei erinnert Brym auch daran, dass die massive Repression gegen Linke aller Couleur bereits 1919 in der rechten Ordnungszelle Bayern begann.
»Die KPD war bis 1921 in Bayern vollständig illegal. Darauf folgte eine teilweise Legalisierung bis zum Jahr 1923, die von 1923 bis 1925 erneut zur vollständigen Illegalisierung führte. Von 1925 bis 1933 befand sich die KPD in einem halblegalen Zustand. Knapp die Hälfte ihrer Veranstaltungen in dieser Periode wurden polizeilich verboten und immer wieder wurde Material der Partei beschlagnahmt«, skizziert Brym die Arbeitsbedingungen einer antagonistischen Linken in einer Zeit, die heute als Weimarer Demokratie verklärt wird. Bei der Zerschlagung der Räterepubliken spielten auch führende bayerische Sozialdemokraten eine unrühmliche Rolle.
»Es ist daher kein Wunder, dass die verhängnisvolle Sozialfaschismustheorie bei den bayerischen Kommunisten weitgehend auf Zustimmung stieß«, kommentiert Brym. Er hebt sich damit wohltuend von vielen Historiker:innen ab, die darin nur ein Diktat Stalins sehen und vergessen, dass viele Arbeiter:innen in den Jahren 1919–1923 die Erfahrung machen mussten, dass von Sozialdemokraten befehligte Polizei und Freikorps Jagd auf sie machten, sie verhafteten oder gar ermordeten.
„Allround-TV v. 10.12.22
Max Brym stellt sein neeues Buch vor:
https://www.allround-tv.de/mediathek/video/buchvorstellung-max-bryms-arbeiterwiderstand-in-suedbayern/
„RADIO LORA“ v. 7.9. 2022
Im Gespräch mit Max Brym:
„Passauer Neue Presse“ v. 16.11.22
Von Till Frieling
„Der Arbeiterwiderstand fehle völlig in der Erinnerungskultur – das Buch ist ein Versuch, das zu ändern“
Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ist für Max Brym, der in Altötting geboren ist, ein sehr persönliches Thema. Bryms Vater war polnischer Jude und Überlebender der Schoah. Mit seinem Sohn konnte er jedoch nie über seine Zeit im KZ sprechen. Diese einschneidende Erfahrung war für den Autor Anlass, sich intensiv mit dem Naziregime und zu befassen.
In seinem neuen Buch „Skizzen – Arbeiterwiderstand gegen das Nazi Regime in Südbayern“ widmet sich Brym, der heute in München lebt und unter anderem Gastdozent an der Universität Prishtina im Kosovo war, dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus in der bayerischen Provinz. Das Buch ist sein zweites Werk zu dem Thema. In dem Buch „Roter Widerstand in der bayerischen Provinz“ beschrieb Brym schon einmal den Widerstand der bayerischen Arbeiterschaft gegen den NS-Terror. Sein neues Werk knüpft daran an, ist aus Bryms Sicht jedoch breiter aufgestellt.
Kleine Arbeiterzentren wie Burghausen spielten laut Brym eine nicht ganz unwichtige Rolle im Widerstand gegen die Nationalsozialisten. Vor allem vor der Machtergreifung Hitlers 1933 gab es hier immer wieder heftige Auseinandersetzungen zwischen den Nazis und organisierten linken Arbeitern. Der erste Versuch der NSDAP, 1932 eine größere Veranstaltung im Burghausener Gasthof „Glöckelhofer“ abzuhalten, wurde so gemeinsam von sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeitern unterbunden — auch mit Gewalt.
Brym betont, dass die Zusammenarbeit zwischen den beiden linken Lagern zu diesem Zeitpunkt durchaus eine Besonderheit war. Auf Reichsebene bekämpften sie sich oft, anstatt sich gemeinsam gegen den aufkommenden Faschismus zu stellen. In den kleineren Arbeiterstädten wie Burghausen hatte man jedoch früh begriffen, dass die Nazis keinen Unterschied zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten machten – und man tat sich zusammen. Für Brym ist der Widerstand in der Region daher ein Beispiel dafür, wie der Nationalsozialismus noch vor 1933 hätte zerschlagen werden können.
Bryms Buch ist voll von Geschichten und Anekdoten über den Kampf gegen die Nazis in der bayerischen Provinz. So beschreibt der Autor, wie am Burghauser Wöhrsee Waffenlager anlegt und wieder geleert wurden, nachdem sie beinahe entdeckt worden waren. Auch die Burghauser Geschehnisse des 9. März 1933 – der Tag der sogenannten Gleichschaltung der Länder – beschreibt er. Die Burghauser Ortsgruppe der KPD versuchte damals, die NSDAP daran zu hindern, eine Hakenkreuzfahne auf dem Dach des Rathauses zu hissen.
Das Brym so ausführlich und anschaulich über die Geschehnisse berichten kann, liegt an seiner umfassenden und zum Teil schon jahrzehntelangen Recherche. Schon in den 1970er Jahren begann er, Gespräche mit Zeitzeugen zu führen und darüber Tagebuch zu schreiben. So konnte Brym Ende der 70er Jahre noch mit Alois Haxpointner sprechen, der lange die KPD in Burghausen geleitet hat und zehn Jahre im KZ Dachau inhaftiert war.
Mit seinem Buch möchte Brym auch die Geschichtsschreibung über den Widerstand gegen das Naziregime ergänzen. Man erinnere sich zwar richtigerweise an Gruppen wie die Weiße Rose oder den militärischen Widerstand rund um Claus Schenk Graf von Staufenberg, der Arbeiterwiderstand fehle aber komplett in der Erinnerungskultur, erklärt er. Sein neues Buchs ist daher auch ein Versuch, das zu ändern.
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