Medienkritik zu "Spuren der Arbeit - Geschichten von Jobs und Widerstand"
Zurück zum Produkt„ak“ 676 v. 16.11.21
Der Blick auf den Arbeitsalltag
Obwohl die meisten von uns jeden Tag , zur Arbeit müssen, gibt es über die Arbeit selbst sehr wenig Literatur. Klasse ist. zwar (angeblich) zurück, oftmals geht es in den Romanen und Biografien aber um das Arbeiter*innenmilieu der Eltern, das die Schriftsteller verlassen haben, weniger um die alltäglichen Erniedrigungen. Der Sammelband „Spuren der Arbeit“ versucht, diese Lücke zu füllen: Verschiedene Autor*innen beschreiben in kurzen Kapiteln schonungslos ihren Arbeitsalltag: Überstunden, die verlangt werden, sexistische Beleidigungen und Belästigungen, aber auch wie es ist wenn man die Arbeit verliert – sechs Tage vor Weihnachten. Sie erzählen aber auch, wie sich die Autor*innen gemeinsam mit ihren Kolleginnen zur Wehr setzen und die Entlassung eines Kollegen verhindern, wie ein Ministreik ihre Arbeitsbedingungen verbessert und sie zeigen, wie viel Mut und Kraft diese Akte des alltäglichen Widerstands brauchen, aber auch zurückgeben. Allzu oft fokussieren Geschichten über Widerstand nur auf spektakuläre Ereignisse: auf Streiks,Blockaden, Demonstrationen. Das ist hier anders: „Spuren der Arbeit“ lenkt den Blick auf die alltäglichen Geschehnisse, die aber nicht weniger bedeutend sind. Das Beste daran: Sie wurden von Arbeiterinnen selbst aufgeschrieben, sind keine Fiktionen, Protektionsflächen, keine gefälligen Interviewpartner*innen für eine eigene politische Agenda. Gesammelt wurden sie von der syndikalistischen Gewerkschaft International Workers of the World (IWW).
Nina Scholz
„express“ Nr. 11 -2021
Kapitalismus – seine Hölle verweilt, dringt in unsere Träume ein und entwürdigt sie
„Greif zur Feder Kumpel“ lautete vor fast hundert Jahren der Kampfruf der Arbeiterschriftsteller*innen, die berichten wollten, was sie an ihren Arbeitsplätzen erlebten. In der DDR wurde diese Bewegung mit dem Bitterfelder Weg verstaatlicht. In der BRD gab es in den 1970er Jahren mit den Werkkreis Literatur der Arbeitswelt und ähnlichen Projekten erneut den Versuch, Berichte aus der Arbeitswelt zu veröffentlichen.Vor allem Operaist*innen haben in verschiedenen Ländern immer die Bedeutung solcher Berichte betont Es geht eben nicht darum, dass solidarische Sozialwissenschaftler*innen über die Zustände im Job berichten, sondern die Menschen, die dort tagtäglich arbeiten, selbst schreiben. Davon scheint heute kaum etwas übrig geblieben. Doch der Eindruck täuscht. Mark Richter, Levke Asyl, Ada Anhang und Scott Nikolas Nappas haben mit ihrem Buch „Spuren der Arbeit, Geschichten von Jobs und Widerstand“ eine Sammlung von … solchen Geschichten aus den USA vorgelegt. In diesem jüngst auf Deutsch erschienenen Buch liest man nicht über die großen Streiks des fordistischen Zeitalters, als Arbeiter*innen gemeinsam die Fabrik verließen. Beschrieben werden vielmehr die kleinen Siege, wenn sich einige Kolleg*innen weigern, den Chef zu duzen oder sich weigern, ihre in der Pause gekauften Pralinen mit ihren Chef*innen zu teilen. dass sie von der Trennung in Klassen- versus Identitätspolitik nichts halten. Gewidmet haben sie das Buch allen Kolleg*innen, die in ihrer Praxis Feminismus, Antirassismus und Klassenkampf verbinden“.
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