Medienkritik zu "Vom Triumph der Sandinisten zum demokratischen Aufstand"

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„Arbeit.Bewegung.Geschichte“ 2020/I

(Die) Errungenschaften (der Sandinistischen Revolution werden) kritisch (ge-)würdigt, ohne die Defizite und deren Konsequenzen bis heute zu verschweigen

Am 18. April 2018 begannen in Nicaragua massive und anhaltende Proteste gegen die Regierung von Daniel Ortega, in deren Folge durch staatliche Gewalt mehrere Hundert Menschen starben. Bereits in den 1980erJahren war Ortega Präsident Nicaraguas gewesen, damals wie heute an der Spitze einer linksgerichteten Regierung der Frente Sandinista de Liberación Nacional (Sandinistische Front der Nationalen Befreiung, FSLN), die zu diesem Zeitpunkt Unterstützung durch eine breite Solidaritätsbewegung in Westeuropa erfuhr. Der Autor des Buchs, Matthias Schindler, war selbst Teil dieser Bewegung und ist als Mitglied des Städtepartnerschaftsvereins von Hamburg mit der nicaraguanischen Stadt León langjähriger Beobachter der politischen Entwicklungen in dem zentralamerikanischen Land. In seinem Buch geht er der Frage nach, wie „man einen solch monumentalen Wandel des Sandinismus – von der einstigen Hoffnung in Lateinamerika zur Horrorvision der internationalen Linken – erklären [kann]“ (S. 11). Es ist aber gleichzeitig eine unbewusste Reflexion über die Wandlung seiner eigenen Haltung zum sandinistischen Projekt und zur internationalen Solidaritätsbewegung.

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„SoZ“ Nr. 11 / 2019

“ … ein wertvolles Handwerkszeug für alle, die sich mit der Entwicklung in Nicaragua beschäftigen“

Seit dem Sieg der Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN) über die mehr als vierzig Jahre dauernde, von den USA gestützte Familiendiktatur des Somoza-Clans im Jahre 1979, war die Unterstützung der nicaraguanischen Revolution über viele Jahrzehnte für die Linke ein Schwerpunkt deutscher und internationaler Solidaritätsarbeit.Nun kann diese Linke spätestens seit 1990, als die FSLN die Nationalwahlen verlor, eine verheerende Degeneration des revolutionären Prozesses beobachten, die durch die einst führende Kraft der Revolution, der FLSN, selbst ausgelöst wurde und heute in der menschenverachtenden Diktatur des einstigen Revolutionsführers Daniel Ortega und seiner Ehefrau Rosario Murillo seinen vorläufigen Höhepunkt gefunden hat.Der Autor Matthias Schindler, selbst Nicaraguaaktivist der ersten Stunde und wie kaum jemand anderes in der Solidaritätsbewegung verankert, hat im Frühjahr 2019 ein Buch vorgelegt, in dem er kenntnisreich und mit großem Detailwissen 40 Jahre politischer Entwicklung in Nicaragua vom Sommer 1979 bis zum Frühjahr 2019 einer kritischen Bewertung unterzieht.

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„ila“ 425 Juni 2019

Das gebrochene Versprechen

Manfred Liebel

Das Buch kommt zur rechten Zeit. Ein Jahr nach Beginn des Aufstands am 18. April 2018 präsentiert der Autor Matthias Schindler eine Analyse, die diesen Aufstand nicht wie fast alle bisherigen Einschätzungen aus dem Augenblick heraus deutet, sondern seine Wurzeln bereits in der sandinistischen Revolutionszeit vor der Wahlniederlage im Februar 1990 verortet. Er argumentiert durchgehend aus einer selbstkritischen linken Perspektive. Die sandinistische Revolution, die der Autor selbst jahrelang solidarisch begleitet und mit der er, wie viele andere auch, große Hoffnungen verbunden hatte, betrachtet er nicht als einen tragischen Irrtum der Geschichte, sondern als gebrochenes Versprechen. Er spürt deshalb akribisch den Gründen ihres Scheiterns und ihren inneren Widersprüchen nach, die viele Linke (er schließt sich ausdrücklich ein) lange Zeit nicht gesehen haben. Das Buch beginnt mit einer Analyse der neuen Aufstandsbewegung und ihrer blutigen Unterdrückung und führt dann Schritt für Schritt bis zur Machtübernahme der Sandinistischen Befreiungsfront FSLN im Jahr 1979 zurück.

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„Südlink“ 188 Juni 2019

Das Scheitern des Sandinismus

Seit dem 18. April 2018 ist Nicaragua nicht mehr wiederzuerkennen. Mehr als 300 Menschen wurden seitdem bei politischen Unruhen getötet. Nicht alle, aber die meisten von ihnen waren Teil der Op­position gegen die Regierung von Präsident Daniel Ortega und sei­ner Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo. Wie es dazu kom­men konnte, dass die »Ideale der Sandinistischen Revolution voll­ständig begraben« wurden, schildert Matthias Schindler in seinem Buch »Vom Triumph der Sandinisten zum demokratischen Auf­stand«. Der langjährige Aktivist der Solidaritätsbewegung analy­siert dafür die Entwicklung der letzten vierzig Jahre in Nicaragua. Nachdem er einleitend die aktuellen Proteste und die Repression seit dem April 2018 rekapituliert, beschreibt er anschließend den Werdegang der FSLN und wie diese sich von einer Befreiungsbewe­gung, die nach dem Sturz des Somoza-Clans ab 1979 ein ganzes Jahr­zehnt der US-Aggression trotzte und den Krieg gegen die Contras überstand, hin zu einem vollständig den Interessen des Ortega-Clans untergeordneten Parteiapparat verwandelte. Auch Schindler kann letztlich nicht genau erklären, wie dieses Ausmaß an Gewalt gegen die eigene Bevölkerung möglich wurde. Der Autor geht mit der FSLN und Daniel Ortega hart ins Gericht. Er macht dies aber aus einer eindeutig linken Perspektive, einer, in der Sozialismus und Demokratie unbedingt zusammengehö­ren. Zwar hätte das Buch, das in weiten Teilen eine akademische Abschlussarbeit ist, besser ausgearbeitet und lektoriert werden müssen. Doch sei es all jenen empfohlen, die besser verstehen wollen, wie ein revolutionä­res Projekt wie der Sandinismus, das für viele Linke weltweit einst Anlass zur Hoffnung war, sich zu einer »menschenverachtenden Dikta­tur« entwickeln konnte.

Michael Krämer


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