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Miteinander Zukunft denken – IGM-Zeitschrift für Bildungsreferent/innen März 2013

Warum „den Müller“ lesen?
„Vertrauensleute galten schon im­mer als ‚Aufwiegler‘!“ – so erinnert die „Kleine Arbeitshilfe“ an die „Vertrauensleutearbeit gestern – heute – morgen“. Und es gab sie wirklich, die „Revolutionären Obleute“ der Berliner Metallbetriebe, die während des Ersten Weltkrieges gegen Kaiser und Krieg und für die Revolution kämpften. Als gewerkschaftlicher Zusammenschluss waren die Revolutionären Obleute damals die schlagkräftigste Antikriegsorganisation, bereits im Januar 1918 fähig zu mehrtägigem „Streiken gegen den Krieg“ (dokumentiert im gleichnamigen Band von Chaja Boebel und Lothar Wentzel im VSA-Verlag).  Mit dieser „Generalprobe“ wurden sie, selbstständig und parteiunabhängig, in Berlin die organisierende und tragende Kraft für den Umsturz zur Republik im November 1918. Wer war nun Richard Müller? Die Revolutionären Obleute waren Ergebnis seines Organisationstalents. Zwischen 1916 und 1921 zählte er zu den einflussreichsten Persönlichkeiten der Arbeiterbewegung. Die Gewerkschaft war für ihn Heimat, Freundeskreis, politische Identität. Im Deutschen Metallarbeiter-Verband (DMV), seinerzeit größte Gewerkschaft der Welt, galt er als der Anführer des linken Flügels. Als gewählter Vorsitzender des Berliner Vollzugsrates der Arbeiter- und Soldatenräte stritt er für eine wirtschaftliche Demokratie auf Basis von Betriebsräten, in der die Arbeitenden selbst über Produktion und Politik entscheiden würden. Nach der Revolution wurde Müller zum Historiker und wies in seiner Geschichte der Novemberrevolution akribisch nach, dass es damals keinen Bürgerkrieg von links gab, sondern dass vielmehr die politische Rechte seit 1919 immer wieder gezielt zu politischer Gewalt gegen die Arbeiterbewegung und die von ihr erkämpfte Republik griff – erst 1933 war sie endgültig erfolgreich. Aus der Geschichte lernen? Müller macht es möglich, erzählt keine Anekdoten, sondern unterbreitet Einschätzungen und Dokumente, die es erlauben, sich ein eigenes Bild von den Vorgängen zu machen. Das liest sich spannend wie ein Kriminalroman.

Rainer Knirsch


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