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„Chiemgau-Blätter“ (Beilage des „Traunsteiner Tagblatts“) v. 14. April 2018

Dass immer mehr ‚Dichter und Schriftsteller in Vergessenheit geraten, ist angesichts eines von Bestsellerlisten bestimmten Literaturbetriebs nicht verwunderlich. Nur selten gelingt es, einen davon ein wenig jener Vergessenheit zu entreißen. Der namhafte, heute in Bad Reichenhall wohnhafte, Publizist Dieter Braeg hat dies mit seinem Buch zu Jakob Haringer (1898 bis 1948) erreicht. In dem Band »Du bist für keinen Stern, kein Glück geborn!« beschreibt er im ersten Teil so kurzweilig wie kenntnisreich den Lebensweg Haringers, wobei er auch zahlreiche Briefe und Zeitungsartikel anführt, die dem Leser vielsagende Einblicke. gewähren. Im zweiten Teil präsentiert er dann eine Auswahl von Haringers Prosa und Lyrik, darunter auch sein »Räubermärchen«, das mit seiner beißenden Kritik an Hierarchie und Bürokratie auch gut in die heutige Zeit passt.

Interessant daran ist zweierlei: Haringer war nicht nur, als Mensch. Nach einem kurzen Zwischenspiel als Rekrut beim 1. Bayerischen Feldartillerieregiment hielt er sich im Jahre 1919 in München auf, wo er nach eigenem Bekunden in die Ereignisse rund um die Räterepublik involviert gewesen sei. Im selben Jahr erschien mit »Hain des Vergessens« seine erste Veröffentlichun. Seinen Lebensunterhalt bestritt er in der Folgezeit aber vorwiegend mit Bettelbriefen an prominente Schriftsteller, wobei Alfred Döblin und Hermann Hesse zu seinen Förderern gehörten.

Da ihm 1936 von den Nazis die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt wurde, emigrierte Haringer 1938 nach Prag und von dort in die Schweiz. Bei der einzigen Bücherverbrennung in Salzburg im Jahre 1938 wurden auch seine Bücher verbrannt. 1939 lebte er vorübergehend in Paris, anschließend wieder in der Schweiz, wo er während des Zweiten Weltkriegs in verschiedenen Flüchtlings- und Internierungslagern festgehalten wurde. Am 3. April 1948 starb er, vergessen und unbeachtet, in Zürich.

Im Anhang des Buches findet sich auch erstmals die vollständige Kritik zu Haringers Werk von E. Wolfram aus der Nazi-Kulturzeitschrift »Nationalsozialistische Monatshefte«. In einem weiteren Text schildert der Herausgeber und Dichter Theodor Sapper seine »Allererste Begegnung mit Jakob Haringer, und als Zugabe findet sich im Anhang noch ein Originalnachdruck von Haringers Zeitschrift »Die Einsiedelei – Ein Stundenblatt Nr. VIII. bis XV., die selbst antiquarisch kaum mehr zu finden ist.

P. S.: Pünktlich zum Fahrplanwechsel wurde in Salzburg am 10. Dezember 2017 aus der Bushaltestelle Jakob-Haringer-Straße die Science City Izling. »Mit der Umbenennung unterstützt die Salzburg AG unser Bestreben, die Identifikation mit dem prosperierenden Standort nicht nur für die dort ansässigen Unternehmen und Einrichtungen, sondern auch für die gesamte Bevölkerung zu stärken«, so Bürgermeister-Stellvertreterin Anja Hagenauer. Auch so geht Vergessen.

Wolfgang Schweiger


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