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Kronen Zeitung 17.2.2016

Das Leben der Tschikweiber

Die Zigarren-Arbeiterinnen in der Halleiner Tabakfabrik: Mit Solidarität und Kampfeswillen in die Geschichte eingegangen.

Ja, Rauchen ist schädlich. Trotzdem gehören Tschik zur Halleiner Geschichte. 1869 startete in der Stadt die Produktion von Zigarren. Damals waren für das Drehen, Spinnen, Sortieren und Verpacken der Zigarren hauptsächlich Frauen zuständig. Und diese waren so gar nicht auf den Mund gefallen. Im Gegenteil, sie waren in, der Bevölkerung sogar für ihr gutes Mundwerk gefürchtet. Der Name „Tschikweiber“ war abwertend gemeint, doch die selbstbewussten Zigarrenarbeiterinnen haben ihre Rolle zum positiven gewendet: „Wir sind wer, für uns existiert sogar ein eigener Begriff“.

Erzählt wird über Zwänge und Hoffnungen, von Anpassung und Widerstand.

Eine, die sich in den 80er-Jahren intensiv mit den Lebensgeschichten der Halleiner Tschikweiber auseinander gesetzt hat, ist die Salzburger Historikerin Dr. Ingrid Bauer. Damals hat sie sich im Rahmen ihrer Dissertation mit dem Autobus auf den Weg nach Hallein gemacht. Dort angekommen, hat sie gehört, wie Männer über die resoluten Tschikweiber sprachen. 30 Interviews führte sie mit Zigarrenarbeiterinnen, deren Töchtern sowie Frauen, die dort gerne gearbeitet hätten, aber nicht aufgenommen wurden.

„Die Frauen waren bei den Männern sehr begehrt. Sie hatten eine sichere Arbeit und konnten ihre Familie mit ihrem Einkommen erhalten. Schon Generationen vor ihnen waren in der Fabrik, es war ein attraktiver Job, ein Erwerbsarbeitsplatz mit gutem Verdienst und mit gewissen Rechten“, weiß Bauer, die gerne an die Gespräche zurückdenkt. „Sie waren für mich als junge Historikerin sehr bewundernswert und haben sich noch genau an die Arbeitsverhältnisse erinnert.“

Viele Alternativen gab es in dieser Zeit nicht. Klar hätten die Zigarrenarbeiterinnen auch gerne in einem Büro gearbeitet oder wären Lehrerinnen geworden, für eine Arbeitertochter war das jedoch jenseits aller guten Vorstellungen.

Was sie auszeichnete: Ihre Solidarität und ihr Zusammenhalt. Sie saßen sich an großen Tischen gegenüber. Während ihrer Handarbeit gab es viel Austausch über Sorgen. 1940 wurde die Zigarrenfabrik von den Nationalsozialisten geschlossen und das Gebäude für den Rüstungsbetrieb verwendet.

Das Buch von Ingrid Bauer „Tschikweiber haums uns g‘nennt …“ ist nun in einer erweiterten Neuausgabe erschienen und wird am 17. März am Originalschauplatz im „Theaterobjekt“ präsentiert. Im Anschluss eine Filmpräsentation „Tschikweiber“ von „theater bode end sole“. „Es freut mich im Sinne der bereits verstorbenen Frauen, dass ihre Geschichten wieder so viel Aufmerksamkeit erfahren“, so die Autorin. Sie spielten in der Arbeiterbewegung eine wichtige Rolle

Sandra Aigner

KRONEN ZEITUNG 17.2. 2016


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