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„Passauer Neue Presse“ v. 16.11.22
Von Till Frieling
„Der Arbeiterwiderstand fehle völlig in der Erinnerungskultur – das Buch ist ein Versuch, das zu ändern“
Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ist für Max Brym, der in Altötting geboren ist, ein sehr persönliches Thema. Bryms Vater war polnischer Jude und Überlebender der Schoah. Mit seinem Sohn konnte er jedoch nie über seine Zeit im KZ sprechen. Diese einschneidende Erfahrung war für den Autor Anlass, sich intensiv mit dem Naziregime und zu befassen.
In seinem neuen Buch „Skizzen – Arbeiterwiderstand gegen das Nazi Regime in Südbayern“ widmet sich Brym, der heute in München lebt und unter anderem Gastdozent an der Universität Prishtina im Kosovo war, dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus in der bayerischen Provinz. Das Buch ist sein zweites Werk zu dem Thema. In dem Buch „Roter Widerstand in der bayerischen Provinz“ beschrieb Brym schon einmal den Widerstand der bayerischen Arbeiterschaft gegen den NS-Terror. Sein neues Werk knüpft daran an, ist aus Bryms Sicht jedoch breiter aufgestellt.
Kleine Arbeiterzentren wie Burghausen spielten laut Brym eine nicht ganz unwichtige Rolle im Widerstand gegen die Nationalsozialisten. Vor allem vor der Machtergreifung Hitlers 1933 gab es hier immer wieder heftige Auseinandersetzungen zwischen den Nazis und organisierten linken Arbeitern. Der erste Versuch der NSDAP, 1932 eine größere Veranstaltung im Burghausener Gasthof „Glöckelhofer“ abzuhalten, wurde so gemeinsam von sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeitern unterbunden — auch mit Gewalt.
Brym betont, dass die Zusammenarbeit zwischen den beiden linken Lagern zu diesem Zeitpunkt durchaus eine Besonderheit war. Auf Reichsebene bekämpften sie sich oft, anstatt sich gemeinsam gegen den aufkommenden Faschismus zu stellen. In den kleineren Arbeiterstädten wie Burghausen hatte man jedoch früh begriffen, dass die Nazis keinen Unterschied zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten machten – und man tat sich zusammen. Für Brym ist der Widerstand in der Region daher ein Beispiel dafür, wie der Nationalsozialismus noch vor 1933 hätte zerschlagen werden können.
Bryms Buch ist voll von Geschichten und Anekdoten über den Kampf gegen die Nazis in der bayerischen Provinz. So beschreibt der Autor, wie am Burghauser Wöhrsee Waffenlager anlegt und wieder geleert wurden, nachdem sie beinahe entdeckt worden waren. Auch die Burghauser Geschehnisse des 9. März 1933 – der Tag der sogenannten Gleichschaltung der Länder – beschreibt er. Die Burghauser Ortsgruppe der KPD versuchte damals, die NSDAP daran zu hindern, eine Hakenkreuzfahne auf dem Dach des Rathauses zu hissen.
Das Brym so ausführlich und anschaulich über die Geschehnisse berichten kann, liegt an seiner umfassenden und zum Teil schon jahrzehntelangen Recherche. Schon in den 1970er Jahren begann er, Gespräche mit Zeitzeugen zu führen und darüber Tagebuch zu schreiben. So konnte Brym Ende der 70er Jahre noch mit Alois Haxpointner sprechen, der lange die KPD in Burghausen geleitet hat und zehn Jahre im KZ Dachau inhaftiert war.
Mit seinem Buch möchte Brym auch die Geschichtsschreibung über den Widerstand gegen das Naziregime ergänzen. Man erinnere sich zwar richtigerweise an Gruppen wie die Weiße Rose oder den militärischen Widerstand rund um Claus Schenk Graf von Staufenberg, der Arbeiterwiderstand fehle aber komplett in der Erinnerungskultur, erklärt er. Sein neues Buchs ist daher auch ein Versuch, das zu ändern.
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