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„Salzburger Nachrichten“, 24. November 2017

Ein Vagabund dichtet sich seine Welt

Er hasste Hitler, schmuggelte Teppiche und schrieb kraftvoll – dennoch ist Jakob Haringer vergessen. Das soll sich ändern.

SALZBURG. Leicht ist es nicht, Jakob Haringer auf die Spur zu kommen. Das fängt schon mit dem Geburts­jahr an. 1888? 1887? 1898? Das ge­naue Datum ist umstritten. Irgend­wann jedenfalls begann es, das Un­stete, das dieses Schriftstellerleben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhun­derts durchzieht.

Jakob Haringers Dichtung – vor allem ist es Lyrik – nährt sich aus ge­nauer Beobachtung und einem stets wachen, kritischen Blick. Sein Le­ben nährt sich aus Legenden, denen Dieter Braeg nachgegangen ist, der nun die erste Biografie über Haringer vorlegt.

In Salzburg und München war Haringer in der Volksschule. Der bayerisch-salzburgische   Grenzraum war ihm immer wieder Le­bensraum. Er wohnte unter ande­rem in Bad Reichenhall, Salzburg und Ebenau. Haringer passt in kein Klischee, er war ein Vagabund, der immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geriet. Ein Akt über einen angeblichen Teppichschmuggel füllt Hunderte Seiten.

Klar ist, dass Haringer am 3. April in Zürich verstorben ist, „vollkom­men vergessen und unbeachtet“, wie gut zehn Jahre später Paul Hüh­nerfeld, Schriftsteller und Feuille­ton-Chef der „Zeit“, in der Zeit­schrift „Akzente“ in einem ,Yer-such über Haringer“ schreibt.

Über diesen Aufsatz war Dieter Braeg auf Haringer gestoßen. Und er wurde nicht mehr losgelassen yon diesem Leben und dieser Spra­che“, sagt Braeg.

Mit seiner Biografie „Du bist für keinen Stern, kein Glück geborn“ will er ihn „ein wenig jener Verges­senheit entreißen, die dem von Bestsellerlisten und Einschaltquo­ten getriebenen Literaturbetrieb  eigen ist“. Er mischt dazu Lebensdaten und Geschriebenes, stellt geografische Zusammenhänge her zwischen dem Leben und dem Schreiben. Aufschlussreich für das bisweilen trostlose, armselige Da­sein Haringers sind viele Briefe. Es taucht in dieser Biografie einer auf, der sich vor allem selbst im Weg ge­standen sein dürfte –  zum einen weil er keinerlei politische Kompro­misse machte. Zum anderen, weil ­vor allem die Brief zeigen das – bei ihm oft auch jene schnell in Ungna de gefallen sind, die zuvor ihre schützende Hand über ihn gehalten hatten. Haringer, so viel wird klar, war ein eigener Planet. Das macht auch seine Literatur außergewöhn­lich.

1988 war das bisher letzte Buch über Haringer erschienen. Germa­nist Hildemar Holl hatte sich da­mals des Autors angenommen, von dem auch Material im Salzburger Literaturarchiv liegt. Im Residenz Verlag waren damals unter dem Ti­tel „Aber des Herzens verbrannte Mühle tröstet ein Vers“ Lyrik, Prosa und Briefe erschienen. Damals war auch eine Straße im Salzburger Stadtteil Itzling nach Haringer be­nannt worden.

Arnold Schönberg vertonte drei Gedichte von Haringer. Theodor Adorno schloss daraus, dass dieser Dichter allein deshalb nicht verges­sen werden wird, weil sich einer wie Schönberg seiner angenommen hatte. Adorno hat sich getäuscht. Viel Material über den Dichter liegt unbearbeitet in Archiven – ein großer Teil davon in der Schweiz, wo Haringer die letzten Lebens­jahre verbracht hat. Braegs Buch hat auch den Sinn, dieses Materi­al zu sichern. „Ohne regelmäßige Behandlung (…) dürfte ein gro­ßer Teil der Sammlung aufgrund des schlechten Zustands nicht mehr zu retten sein“, fürchtet er.

Vorgestellt wird das Buch über diesen Widerständler und Unan­gepassten passenderweise bei den Kritischen Literaturtagen in der ARGEkultur. Bei der dritten Auflage dieser kleinen Buchmes­se werden am kommenden Wo­chenende 39 Verlage dabei sein. Das ist Rekord. Für ARGEkultur-Leiter Markus Grüner-Musil geht es vor allem darum, eine Platt­form zu bieten für Verlage, „die sonst im PR-getriebenen Buch­markt kaum vorkommen“. Oft­mals seien da „engagierte Ein­zelkämpfer“ tätig, deren Veröf­fentlichungen von Leidenschaft und tiefer Überzeugung getra­gen seien.

Erstmals gibt es heuer auch eine gemeinsame Veranstaltung vier wichtiger Salzburger Verla­ge: Autorinnen und Autoren von Residenz, Jung&Jung, Müry-Salzmann und Otto-Müller lesen bei der „Nacht der Salzburger Verlage“.

BERNHARD FLIEHER


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