„Gearbeitet haben wir viel“ lautet eines der durchdringendsten Motive der interviewten Halleiner Zigarrenfabrikarbeiterinnen der 1988 erstmals veröffentlichten Kollektivbiografie der Salzburger Historikerin Ingrid Bauer. Die 2015 erschienene Neuauflage trägt einen Zusatz im Titel: „Frauen. Arbeit. Geschichte.“ Dies sind die drei Ecken, zwischen denen sich diese österreichische Pionierstudie der Oral History aufspannt: Es ist die Untersuchung eines spezifischen Milieus in der ersten Hälfte des 20. Jh., ein Beitrag zur österreichischen Arbeiterlnnenbewegungs- und Gewerkschaftsgeschichte sowie schlussendlich auch eine Arbeit, die dazu einlädt, über Konjunkturen der Geschichtsschreibung nachzudenken — nicht zuletzt angeregt durch die einleitenden Worte der Autorin.
» …die Notwendigkeit der Organisation vor Augen zu halten«
»Jene Mütter, die selbst schon Tabakarbeiterinnen gewesen waren und dem Staate frühzeitig ihre Gesundheit opferten, mögen es nicht unterlassen, ihren Töchtern, die heute in der Tabakfabrik die Plätze ihrer frühzeitig zugrunde gerichteten Mütter einnehmen, die Notwendigkeit der Organisation vor Augen zu halten, damit sie nicht da gleiche Schicksal ereile«. Dieser in einer sozialdemokratischen Zeitung abgedruckte Aufruf sollte die Tschikweiber von Hallein in der Nähe von Salzburg zum Eintritt in die Gewerkschaft mobilisieren.
Tschikweiber wurden die Beschäftigten der Zigarrenfabrik zunächst von den bürgerlichen Halleinern genannt, die halb verächtlich, halb ängstlich von einer Lawine sprachen, wenn die Frauen nach Arbeitsschluss aus der Fabrik strömten. Bald nahmen sie den Namen an. »Tschikweiber haums uns g’nennt« heißt eine 1988 von der österreichischen Historikerin Ingrid Bauer veröffentlichte Studie über die letzte Generation der Arbeiterinnen, die dort von 1921 bis zur Schließung der Fabrik 1940 beschäftigt waren. Bauer gehörte zu einer Generation von jungen Wissenschaftlerinnen, die aus feministischem Interesse an ihre Arbeit heranging. Schließlich war die Halleiner Zigarrenfabrik in ihrer Zeit eine absolute Ausnahme, weil dort ausschließlich Frauen beschäftigt waren; zudem in Vollzeit. Mit der Neuauflage des Buches hat der Berliner Verlag »Die Buchmacherei« ein wichtiges Zeitdokument erneut zugänglich gemacht.
Dieser Satz ist der rote Faden der 1988 von der österreichischen Historikerin Ingrid Bauer veröffentlichten Studie über die Zigarettenarbeiterinnen im Städtchen Hallein im Salzburger Land. Der Verlag »Die Buchmacherei« hat mit der Neuauflage ein Zeitdokument der Frauengeschichte wieder zugänglich gemacht. Im Zentrum von Bauers Interviews stehen 18 Frauen aus Hallein. Zwölf von ihnen haben von 1921 bis zur Schließung 1940 in der Zigarettenfabrik gearbeitet. Die in österreichischem Dialekt belassenen Interviewpassagen und die Erläuterungen von Bauer ermöglichen einen Einblick in das Leben einer Frauengeneration, das hauptsächlich aus Unterordnung, Demut und viel Arbeit bestand. Schon in jungen Jahren mussten sie zu Hause mit anpacken und sich später als Bedienstete bei reichen Leuten verdingen. Daher empfanden viele die Arbeit in der Zigarettenfabrik als Befreiung. In den Gesprächen wird der Stolz deutlich, für ihre Arbeit entlohnt zu werden und sich mit ihren Kolleginnen austauschen zu können. Dabei ging es auch um damals tabuisierte Themen wie Schwangerschaftsverhütung. Noch 50 Jahren später erinnern sich die Frauen an kleine Akte der Solidarität in der Fabrik und als Höhepunkt an den kurzen Streik gegen den Austrofaschismus 1934. Es war ein kurzes Intermezzo des Widerstands. Die Zusammenarbeit des Unternehmens mit dem nationalsozialistischen Regime ist gut dokumentiert. Wurden die Frauen in den Interviews jedoch dazu befragt, seien sie ausgewichen, so Bauer. »Nicht aufmuksen« war die Devise. Eine der wenigen Ausnahmen ist die kommunistische Gewerkschafterin Agnes Primocic, über deren widerständiges Leben ein Dokumentarfilm informiert, der auf einer DVD dem Buch beigelegt ist.
Der „Tschik“ ist in der österreichischen Mundart ein Zigarren- oder Zigarettenstummel. Und in Hallein, der Stadt, die nahe Salzburg liegt, da gab es Arbeit nicht nur für Menschen im Salzbergwerk, sondern von 1871 bis 1939 auch in der Zigarrenfabrik.
Im Jahre 1816 wird das Fürstbistum Salzburg Teil der Habsburger Monarchie und Hallein war plötzlich nur einer von vielen Orten, in denen Salz gefördert wurde. Um 1850 lebten in Hallein etwa 4.000 Einwohner, und die Arbeitslosigkeit samt Verelendung war groß. Wenn überhaupt, gab es Arbeit im staatlichen Salinenwesen oder im damit eng verbundenen Handwerk, etwa als Küfer, Holzknecht, Salzachschiffer.
Auch für Frauen gab es Arbeit: Im Bergbau als Essensträgerin. Im Sudhaus arbeiteten pro Schicht immer sechs bis acht Frauen an der Sudpfanne als Holzzieherinnen. Außerdem setzten sie als Radgeherinnen mit ihrer Körperkraft das Schöpfrad in Bewegung, mit dem die Sole aus dem Untergeschoss des Pfannhauses in die Sudpfannen geschöpft wurde. Als Salzhackerinnen zerkleinerten sie große Blöcke zu faustgroßen Brocken. Je drei Kufenheberinnen hoben den Trägern die Salzfässer auf die Schulter. Die Raiffantreiberinnen schließlich machten die Salzkufen versandfertig. Schon damals schlug der technische Fortschritt zu und die meisten Frauen verloren ihre Arbeitsplätze; als dann der Transport nicht mehr auf der Salzach, sondern ab 1871 per Eisenbahn erfolgte, wurde Hallein zur Bettelstadt.
Der Halleiner Gemeindevorstand schafft mit einer Petition („An Arbeitskräften dürfte es also nicht fehlen, zumal die hiesigen Arbeiter durchgehend keinen Grundbesitz haben, daher dieselben resp. ihre Familienmitglieder ihre Zeit und Kräfte ungestört diesem Industriezweige zuwenden können.“) die Betriebsansiedlung, die 1871 mit 215 Arbeiterinnen bezogen wird. Bis 1912 erhöht sich der Personalstand auf 510 Beschäftigte – zu 90 Prozent Frauen. Die alljährliche Produktion erreicht 27 Millionen Zigarren. Hauptsächlich werden die Marken Britannica, Trabucco, Kuba und Portorico gerollt. Pfeifentabak und „Nordtiroler Kautabak“ gehören ebenso zum Repertoire.
In den 1980er-Jahren hat die Historikerin Ingrid Bauer, erstmals unter gleichem Titel, ihre Dissertation veröffentlicht. Das Buch ist die wohl wichtigste Studie, ja eine Pionierleistung der Oral History in Österreich, und Leserinnen und Leser lernen im Dialog mit einer heute historischen, noch vor dem Ersten Weltkrieg geborenen Arbeiterinnen-Generation ein – allein wegen dieser Arbeit der Autorin – heute kaum noch rekonstruierbares eindrückliches Stück Frauengeschichte, Sozial- und Alltagsgeschichte, Gewerkschafts- und Industriegeschichte kennen.
Die Buchmacherei hat Ingrid Bauers 1988 erschienene Dissertation neu rausgebracht und um historische Bilder, ein aktuelles Vorwort und eine DVD-Beilage erweitert. Was sich anfangs etwas langatmig liest, wird zunehmend eine anregende Untersuchung mit analytischem Tiefgang und viel Empathie für Fabrikarbeiterinnen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts.
Am besten sind die Stellen, die mit Interviewauszügen (die im Originaldialekt transkribiert sind, die Frauen waren allesamt in ihren 80ern) und deren Interpretation herausarbeiten, wie sich die Arbeiterinnen unter den damaligen Bedingungen organisierten. Hallein in Salzburg, wo das österreichische Tabakmonopol eine dieser Tabakwaren-Fabriken hingestellt hat und wo die Geschichte spielt, ist bekannt für den Abbau von Salz und die heute noch existierende Zellstoffindustrie. Bauer zeigt, dass diese Kleinstadt mit damals knapp 10 000 und heute 21 000 Einwohnern eher prominent sein müsste wegen der renitenten Geschichte dieser proletarischen Frauen.
Die Zigarren-Arbeiterinnen in der Halleiner Tabakfabrik: Mit Solidarität und Kampfeswillen in die Geschichte eingegangen.
Ja, Rauchen ist schädlich. Trotzdem gehören Tschik zur Halleiner Geschichte. 1869 startete in der Stadt die Produktion von Zigarren. Damals waren für das Drehen, Spinnen, Sortieren und Verpacken der Zigarren hauptsächlich Frauen zuständig. Und diese waren so gar nicht auf den Mund gefallen. Im Gegenteil, sie waren in, der Bevölkerung sogar für ihr gutes Mundwerk gefürchtet. Der Name „Tschikweiber“ war abwertend gemeint, doch die selbstbewussten Zigarrenarbeiterinnen haben ihre Rolle zum positiven gewendet: „Wir sind wer, für uns existiert sogar ein eigener Begriff“.
Erzählt wird über Zwänge und Hoffnungen, von Anpassung und Widerstand.
Eine, die sich in den 80er-Jahren intensiv mit den Lebensgeschichten der Halleiner Tschikweiber auseinander gesetzt hat, ist die Salzburger Historikerin Dr. Ingrid Bauer. Damals hat sie sich im Rahmen ihrer Dissertation mit dem Autobus auf den Weg nach Hallein gemacht. Dort angekommen, hat sie gehört, wie Männer über die resoluten Tschikweiber sprachen. 30 Interviews führte sie mit Zigarrenarbeiterinnen, deren Töchtern sowie Frauen, die dort gerne gearbeitet hätten, aber nicht aufgenommen wurden.
„Die Frauen waren bei den Männern sehr begehrt. Sie hatten eine sichere Arbeit und konnten ihre Familie mit ihrem Einkommen erhalten. Schon Generationen vor ihnen waren in der Fabrik, es war ein attraktiver Job, ein Erwerbsarbeitsplatz mit gutem Verdienst und mit gewissen Rechten“, weiß Bauer, die gerne an die Gespräche zurückdenkt. „Sie waren für mich als junge Historikerin sehr bewundernswert und haben sich noch genau an die Arbeitsverhältnisse erinnert.“
Viele Alternativen gab es in dieser Zeit nicht. Klar hätten die Zigarrenarbeiterinnen auch gerne in einem Büro gearbeitet oder wären Lehrerinnen geworden, für eine Arbeitertochter war das jedoch jenseits aller guten Vorstellungen.
Was sie auszeichnete: Ihre Solidarität und ihr Zusammenhalt. Sie saßen sich an großen Tischen gegenüber. Während ihrer Handarbeit gab es viel Austausch über Sorgen. 1940 wurde die Zigarrenfabrik von den Nationalsozialisten geschlossen und das Gebäude für den Rüstungsbetrieb verwendet.
Das Buch von Ingrid Bauer „Tschikweiber haums uns g‘nennt …“ ist nun in einer erweiterten Neuausgabe erschienen und wird am 17. März am Originalschauplatz im „Theaterobjekt“ präsentiert. Im Anschluss eine Filmpräsentation „Tschikweiber“ von „theater bode end sole“. „Es freut mich im Sinne der bereits verstorbenen Frauen, dass ihre Geschichten wieder so viel Aufmerksamkeit erfahren“, so die Autorin. Sie spielten in der Arbeiterbewegung eine wichtige Rolle
Tabakfabrik als Ort der Emanzipation und der politischen Bildung
„Is amoi kloar, dass ma bei da Gewerkschaft gewen san. Und es is scho so: Die Orbaiter miassen zaumhoiten, sonst gibt‘s kane Rechte,“
In den 1980er-Jahren hat die Historikerin Ingrid Bauer Zigarrenarbeiterinnen ausführlich über ihre Zeit in der Tabakfabrik Hallein befragt. Es waren selbstbewusste, protestbereite und ‚solidarisch handelnde Frauen. Schon 1920 waren dort 91,5 Prozent der Belegschaft freigewerkschaftlich organisiert. In Österreich hatte der hohe Organisationsgrad den Achtstundentag, die Arbeitslosenversicherung sowie Urlaubs- und Betriebsrätegesetz durchsetzbar gemacht. Es geht in diesem neu aufgelegten Buch neben Wirtschaftsgeschichte darum, was die harte Fabriksarbeit für Frauen auch bedeuten konnte: Emanzipation und Selbstbewusstsein. In der Massenarbeitslosigkeit waren es in Hallein die Frauen, die Arbeit hatten und die Familie ernähren konnten. Die Fabrik war auch Ort politischen Bildung. Die Haushaltsarbeit blieb trotzdem den Frauen: „Des geht ois so automatisch dahin: Do gehst in die Oarbeit in da Fabrik und gehst holt und oarbeitst und daun dahoam oarbeitst holt wieder.“
Oral History: Ingrid Bauers Buch über die Arbeiterinnen der Zigarrenfabrik in Hallein bei Salzburg in neuer, erweiterter Ausgabe erschienen
Gisela Notz
Was Ingrid Bauer 1988 im Wiener Europa-Verlag veröffentlichte, war bis zu diesem Zeitpunkt einzigartig. Für ihr Buch »Tschikweiber haums uns g’nennt …« hatte die Historikerin zahlreiche ehemalige Arbeiterinnen der Zigarrenfabrik im österreichischen Hallein ausführlich zu ihren Lebensgeschichten interviewt. Der kleinen Berliner Buchmacherei ist zu danken, dass es jetzt wieder erhältlich ist – mit einer neuen Einleitung versehen. Zudem ist eine DVD beigelegt. Sie enthält einerseits das Textbuch und Szenenfotos zum Theaterstück »Tschikweiber« und zwei Dokumentarfilme über Agnes Primocic (1905–2007), Betriebsrätin in der Zigarrenfabrik, Kommunistin und Widerstandskämpferin.
Hallein ist eine kleine Stadt südlich von Salzburg. Die 1870 in Betrieb genommene Zigarrenfabrik war ein bürokratischer Staatsbetrieb. Bauers Arbeit entstand in einer Zeit, in der sich die Frauenforschung etablierte und in der die Historikerzunft die »Oral History« als Methode entdeckte. Ihr gelang damit ein Werk, in dem sowohl Frauengeschichte als auch Sozial-, Familien und Alltagsgeschichte umfassend rekonstruiert wird. »Arbeiterinnengeschichte, ist das Dein Ernst?« wurde sie ungläubig gefragt, als sie die Arbeit an dem Projekt aufnahm. Damals erschien der westlichen Geschichtsschreibung – von einigen Ausnahmen in der Frauenforschung der BRD abgesehen – der Alltag von Arbeiterinnen als zu banal, um sich damit wissenschaftlich zu befassen.
Doch Ingrid Bauer ließ sich nicht beirren, und es entstand ein Buch, das mit vielen Vorurteilen aufräumte, mit denen Fabrikarbeiterinnen teilweise noch heute konfrontiert sind. Sie schilderte auf der Basis der Gespräche mit den Frauen, wie diese selbst ihre betriebliche und außerbetriebliche Realität wahrnahmen und reflektierten. Dabei arbeitete sie die wohl wichtigste Erfahrung der gewerkschaftlich sehr gut organisierten und protestbereiten »Tschikweiber« – Tschik ist ein österreichischer Ausdruck für Zigarette – heraus: Solidarität.
Dennoch hat Bauer nichts glorifiziert: Die Halleiner Zigarrenfabrik war zwar ein »Frauenbetrieb«, doch alle wesentlichen Kontrollpositionen waren fest in Männerhand – vom Direktor bis hin zum Portier, der das Tor verschloss, wenn eine Arbeiterin zu spät kam. Die Autorin machte auch deutlich, dass Frauen billige und willige Arbeitskräfte waren. Sie kosteten wenig, auch wenn sie gegenüber den Hausfrauen privilegiert waren, weil sie regelmäßig eigenes, selbstverdientes Geld hatten – bei erträglichen Arbeitsbedingungen. Die 600 Frauen hätten in dem damals noch ländlichen Ort oft sogar mehr verdient als ihre Männer, sagte Bauer im Interview mit den Salzburger Nachrichten (21.11.2015) anlässlich der Neuauflage des Buches.
Aber nicht nur, weil sie für ein eigenes Haus sparen wollten, sind die Frauen »allesamt gerne in die Fabrik gegangen«. Sie tauschten sich über ihre Rechte, über Verhütung, Sexualität, Ehe- und Familienprobleme, Gewerkschaftsarbeit und sonntägliche (Fahrrad-)Ausflüge mit dem Arbeitersportverein aus.
Die Tschikweiber haben zwei Weltkriege, Weltwirtschaftskrise, Erwerbslosigkeit und Armut, die Herrschaft der Austrofaschisten und der Nazis erlebt. Sie erinnerten sich in den Gesprächen an ihren Streik gegen den sich in Österreich etablierenden Klerikalfaschismus am 12. Februar 1934, der eigentlich ein landesweiter Generalstreik werden sollte. Dass die anderen Halleiner Betriebe nicht wie sie streikten, verziehen sie den dort arbeitenden Männern nicht. Die Arbeiterinnen erlebten Repressionen und Entlassungen.
Viele versuchten gleichwohl, die »große Politik« aus ihrem Berufsalltag herauszuhalten. Etliche wurden aber außerhalb der Arbeitszeit illegal politisch aktiv – bis die Zigarrenfabrik 1939 an einen Rüstungsbetrieb verkauft wurde. Über ihr darauf folgendes Hausfrauendasein wollten die Arbeiterinnen Ingrid Bauer nicht viel erzählen. Sie hatten es sich ja nicht ausgesucht.
Die Tabakwerke im Salzburgerischen Hallein waren nicht typisch für Fabriken vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Mehrheitlich verdienten die dort angestellten Frauen mehr als Männer in anderen Betrieben der Region. Damit übernahmen sie die Versorgung ihrer Familien und waren nicht die üblichen »Zuverdienerinnen«. Viele organisierten sich gewerkschaftlich und sozialdemokratisch, sie waren bekannt für ihr Selbstbewusstsein und kämpften gegen übergriffe der (männlichen) Vorarbeiter, für höhere Löhne und bessere Sozialleistungen. Die Neuauflage des 1988 erstmals erschienenen Buches von Ingrid Bauer ist nicht nur wegen der Beschreibung des Widerstandes der Frauen interessant, sondern auch weil eine »Arbeitergeschichte« erzählt‘ wird; die über die Fabrik hinaus geht. Der Alltag der Frauen (und wenigen Männer) wird von ihrer Kindheit bis hin zur Schließung der Tabakproduktion beschrieben: das Wohnen, die Arbeit im Haushalt, das Weggeben der Kinder und die eigene Kindheit – entfernt von der leiblichen Familie etc. Nicht zuletzt wird sichtbar, dass die Frauen doppelte Arbeit leisteten, weil sich die Männer bis auf Ausnahmen nicht an der Hausarbeit beteiligten. Die Autorin erzählt nicht nur eine widerständige Regionalgeschichte der Arbeit innerhalb und außerhalb der Fabrik. Sie macht auch Lebens- und Geschlechterverhältnisse sichtbar, die in der üblichen Geschichtsschreibung der Arbeiterbewegung selten vorkommen.