Medienkritik zu "Die Meuterei auf der „Deutschland“ 1918/19 – Anpassung, Aufbäumen und Untergang der ersten deutschen Arbeiterbewegung"

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„junge Welt“ v. 1.4. 2019

Revolutionäre Ungeduld

Anpassung und Untergang: Klaus Dallmers Überblicksdarstellung der Geschichte der »ersten deutschen Arbeiterbewegung«

Von Nick Brauns

Das zum 100. Jahrestag der deutschen Revolution im Berliner Verlag »Die Buchmacherei« erschienene Buch »Die Meuterei auf der ›Deutschland‹ 1918/19« will eine verständliche Darstellung des Geschehens liefern.

Der Autor Klaus Dallmer, Jahrgang 1951, engagierte sich nach seinem Politikwissenschaftsstudium und einer Ausbildung zum Werkzeugmacher jahrzehntelang in gewerkschaftlicher Basisarbeit in Berliner Fabriken. Auch diese Erfahrung mit dem »revolutionären Subjekt, das noch keines sein wollte«, prägt seinen Blick. Dallmer macht aus seinen Sympathien für Rosa Luxemburg, deren Sichtweise er zum Maßstab seiner Darstellung macht, sowie die »rechte« KPD-Opposition in der Weimarer Republik kein Geheimnis. Dennoch schreibt er weitgehend ohne Rücksichtnahme auf die die Politik von Parteien oder Strömungen.

Im ersten Drittel des Buches widmet sich der Autor der Herausbildung der deutschen Arbeiterbewegung vom Vormärz bis 1914. Er geht auf Auseinandersetzungen wie den Revisionismusstreit und die Massenstreikdebatte ein und analysiert die Anpassung der Sozialdemokratie, die »mit tausend Fäden mit den Institutionen des Staates und der Wirtschaft verwoben und verwachsen« war, an das kapitalistische System. Von einem »Verrat« der SPD an der Revolution will Dallmer nur bedingt sprechen. Vielmehr habe deren Einsatz für den Erhalt der alten Machtstrukturen in Wirtschaft, Verwaltung, Justiz, Politik und Militär »materielle Gründe« gehabt, »die bürgerlich-demokratische Ideologie war nur deren geistiger Reflex«. Ausführlich schildert der Autor die Revolutionsereignisse 1918/19 und die bis 1923 reichende revolutionäre Nachkriegsphase, um sich im letzten Viertel des Buches mit der weiteren Entwicklung der gespaltenen Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik bis zu ihrem »Untergang« nach der Machtübergabe an die Faschisten zu befassen.

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„SoZ Nr. 1 – 2019“

Anti-Geschichtsbuch: Eine kritische Auseinandersetzung mit der Novemberrevolution

«Lasst euch nicht verdrießen. Denn wir wissen absolut! Noske, der wird schießen.»

Dieses Spottlied auf einen berüchtigten SPD-Politiker, der für die Massaker an rebellischen Arbeitern nach der Novemberrevolution verantwortlich war, stammt bereits von 1907. Damals schon stand Gustav Noske auf dem rechten Flügel der SPD und war als Reichstagsabgeordneter Experte für Kolonialpolitik und Militärfragen. In dieser Funktion forderte er im Reichstag, Arbeitsplätze auf deutschen Schiffen sollten nur Deutschen vorbehalten sein, und erklärte, im Falle eines Angriffs würde die SPD Deutschland verteidigen. Zur gleichen Zeit, 1907, war Karl Liebknecht unter Anklage des Hochverrats wegen Verfassens antimilitaristischen Schriften zu einer eineinhalbjährigen Zuchthausstrafe verurteilt worden.
Damals gehörten Noske und Liebknecht noch der gleichen Partei an. Zwölf Jahre später wird Noske für den Mord an Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und Tausenden anderen Arbeitern mitverantwortlich sein. Klaus Dallmer hat sich mit seinem Anti-Geschichtsbuch Die Meuterei auf der «Deutschland» 1918/19 auf die Suche nach den historischen Kontinuitäten gemacht, die Noske zum selbsternannten Bluthund und Liebknecht zum Kämpfer für eine Gesellschaft ohne Kapitalismus und Krieg werden ließen.
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