Medienkritik zu "Mao in der bayerischen Provinz"
Zurück zum Produkt„scharf-links.de“, 07.11.2024
Neuauflage des Buches „Mao in der bayerischen Provinz“
Rezension von Agron Sadiku
Das Buch von Max Brym “Mao in der bayerischen Provinz“ ist im Verlag “Die Buchmacherei“ vor einigen Tagen neu erschienen – vor allem deshalb, nachdem sich die erste Ausgabe gut verkaufte. Das Buch ist in der Tat neu und vieles wurde überarbeitet und ergänzt. Es ist die Geschichte von maoistischen Gruppen speziell in Südostoberbayern. Gleichzeitig wurde das Buch mit einem ausführlichen Personenregister ergänzt. Denn es ist ja so, dass viele Jugendliche mit Namen wie Ernst Aust oder Willi Dickhut nichts mehr anfangen können. Auch nicht mit den Illusionen bezüglich der chinesischen Kulturrevolution oder der Person Enver Hoxha, den der Autor persönlich traf. An vielen Stellen wird jedoch auch deutlich gemacht, dass es auch in Südostoberbayern durchaus Sympathien für Zeitungen und Betriebszeitungen speziell für den „Roten Landboten“ gab. In Mühldorf am Inn war einst ein Typ im Betriebswerk der DB Betriebsleiter, den die Arbeiter immer den „Knallharten“ nannten. Der Mensch hat auf jeder Betriebsversammlung erklärt: “Wer hier nicht mitzieht, wer bummelt da bin ich knallhart“. Dann hat sich herausgestellt, dass diese Person Material der Bundesbahn dafür verwendete, um sich ein privates Haus zu bauen. Die Zeitung der „Rote Landbote“ enthüllte dies und der Betriebsleiter flüchtete und wurde kurz darauf verhaftet. Die Zeitung wurde den damaligen Freunden aus der maoistischen Szene aus der Hand gerissen. In der Stadt Waldkraiburg und in dem stockkatholischen Altötting war damals speziell der“ Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD“ besonders aktiv. Der bekannteste Aktivist war der Autor des Buches. Er hatte damals den Spitznamen“ der rote Max“. Der Autor beschreibt etwas anders für die jüngere Generation formuliert, die, damaligen Auseinandersetzungen aber auch die Fehler und Irrtümer die begangen wurden. Der Hauptfehler war die Sympathie für örtliche und betriebliche Enthüllungen durch die Arbeiter mit Sympathie für den Maoismus zu verwechseln. Geschichte ist bekanntlich geronnene Erfahrung, aus der es zu lernen gilt. Dafür ist das Buch höchst geeignet, es macht zum Teil sehr witzig auf die damaligen Auseinandersetzungen aufmerksam aber auch auf einige körperliche Auseinandersetzungen mit der NPD und später den Republikanern. Auch kam es zu scharfen Auseinandersetzungen mit CSU Funktionsträgern u.a. mit dem ehemaligen CSU-Generalsekretär und Minister Gerold Tandler aus Neuötting.. Der Autor ist im Gegensatz zu vielen die einst in maoistischen Organisationen waren links geblieben. Er hat aber auch bestimmte Fehler korrigiert. Das ist nicht selbstverständlich, wenn man an Personen wie Jürgen Elsässer, Jürgen Trittin, oder gar Horst Mahler denkt. Das Buch ist eine Fundgrube für an Arbeiterpolitik interessierte Personen. Zudem ist es Nachschlagewerk bezüglich von Menschen die einst oder noch in der maoistischen Szene aktiv waren und sind. Insgesamt gingen nach den einschlägigen Forschungsberichten rund 100.000 Personen kürzere oder längere Zeit durch maoistischen Organisationen hindurch. Das waren wesentlich mehr als die Studentenbewegungen 1968 auf die Straße brachte. Es ist wichtig sich über diese Zeit nochmals Rechenschaft abzulegen Der Autor tut es mit konkreten einstigen betrieblichen Auseinandersetzungen und zum Teil mit sehr amüsanten Geschichten. Es lohnt sich das Buch zu lesen. Ich persönlich habe das in zwei Tagen nachdem ich nicht mehr aufhören konnte den Text zu studieren geschafft. Das sollten viele Menschen ebenfalls tun, die Erinnerung ist wichtig, die Aufarbeitung von Fehlern ebenso, um sie heute in der Arbeiterbewegung nicht zu wiederholen. Trotzdem gab es auch viel Richtiges im Falschen.
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„haGalil. jüdisches Leben online“, 14. 11. 2024
Anfang der 70er Jahre brodelte es nicht nur in den Hauptstädten, nein, auch in der bayerischen Provinz, im sogenannten Chemiedreieck, gibt es rebellierende Jugendliche, die sich in K-Gruppen organisieren und den Aufstand proben. Sie legen sich mit der lokalen Bourgeoisie an, agitieren in Gaststätten für die Revolution und konfrontieren die Provinz mit ihrer braunen Vergangenheit. Allen voran der rote Max, der hier seinen politischen Werdegang schildert und Einblick gibt in die aufregende Zeit des linken Aufbruchs.
Max Brym ist der Sohn des Shoah Überlebenden Berek Brym. Im seinem Buch, das nun neu überarbeitet erscheint, läßt er die damalige Zeit nochmals auferstehen. Auch seine Herkunft und die Geschichte der Familie wird beschrieben.
LESEPROBE:
Der böse Traum
Mein Vater wurde 1914 als Sohn des jüdischen Textilkaufmanns Maximilian Brym im polnischen Lodz geboren. Er hatte zwei Brüder und drei Schwestern. Bis weit in die 1930er Jahre galt Lodz als wichtiges Textilzentrum. Die Familie meines Vaters gehörte zum jüdischen Kleinbürgertum in Lodz.
In Lodz gab eine es starke Arbeiterbewegung. Besonders stark war der Jüdische Arbeiterbund, in dem mein Onkel Henrik damals als einziges Mitglied der Familie aktiv teilnahm. Mein Vater wuchs in bescheidenem Wohlstand auf und erlernte den Beruf des Textilkaufmanns. 1939 änderte sich das Leben durch die deutschen Besatzer radikal. Die gesamte Familie Brym wurde in das Ghetto in Lodz verfrachtet. Der Großvater war noch vor der nationalsozialistischen Besatzung gestorben, was meine Großmutter, die ich leider nur aus Geschichten kenne, immer als großes Glück bezeichnet haben soll. Bis 1943 schufteten meine Verwandten im Ghetto Lodz. Über die Misshandlungen, die Ausbeutung und die Brutalitäten in diesem Ghetto schreibe ich hier nichts. Dazu gibt es umfangreiche Literatur.
Mein Vater, der das Ghetto durch- und überlebt hatte, erzählte mir fast nichts über diese Zeit. Dies verband ihn mit vielen Überlebenden der Shoah. Sie schwiegen. Nicht einmal mit ihren eigenen Kindern konnten sie darüber reden. Mindestens zweimal die Woche weckte mich jedoch mitten in der Nacht der „böse Traum“ meines Vaters. Den damit verbundenen durchdringenden Schrei habe ich noch heute in den Ohren.
Im Jahr 1943 wurde mein Vater mit seinen Geschwistern nach Auschwitz deportiert. An der Rampe fand die Selektion statt. Meine Großmutter und die Geschwister meines Vaters wurden als „nicht arbeitsfähig“ in die Gaskammer geschickt. Mein Vater war bei den Arbeitsfähigen. Die Familie wusste, was passieren würde. Meine Großmutter, die Mutter meines Vaters, packte ihren Sohn an den Schultern, sah ihm in die Augen und nahm ihm das Versprechen ab, diese Hölle zu überleben. Das war der „böse Traum“ meines Vaters. Die Geschichte erzählte er mir unter Tränen viele Jahre später in Holon, einem Vorort von Tel Aviv.
Neubeginn nach KZ und DP-Camp
In der Nähe von Altötting wurden 1945 viele jüdische Häftlinge von der US-Armee befreit. Die zum Skelett ausgemergelten Menschen hätten ursprünglich von der SS in die sogenannte Alpenfestung getrieben werden sollen. Nach der Befreiung brachte man die Häftlinge zur Genesung ins Hotel Post und in verschiedene Klöster. In einem Kapuziner Kloster identifizierte ein ehemaliger jüdischer Häftling aus der Slowakei den vorgeblichen Priester Tiso als ehemaligen Nazi-Kollaborateur. Tiso war seinerzeit von den Nazis als Staatsoberhaupt der Slowakei eingesetzt worden.
Welch eine Ironie der Geschichte. Kardinal Faulhaber hatte es gebilligt, dass der Verbrecher Tiso sich von Anfang Mai bis Mitte Juni 1945 in diesem Kloster verstecken konnte.
Anfang 1946 wurde in Altötting im ehemaligen Gasthof Lechner in der Neuöttinger Straße 5 ein Displaced Persons´ Camp errichtet, in dem zeitweise dreihundert Juden und Jüdinnen lebten. Es gab den eigenen Fußballverein Jidiszer Sport Farejn Altötting und bis 1950 eine eigene jüdische Berufsschule. 1951 wurde das DP Camp aufgelöst.
Die DP Camps hatten sich die Rückführung von Flüchtlingen, Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen in ihr Heimatland zum Ziel gesetzt. Die meisten Juden lehnten aber eine Rückkehr in die Welt ihrer Vorväter in Osteuropa ab. Viele wanderten nach Israel oder in die USA aus. Relativ viele Juden blieben aber über kürzere oder längere Zeit in Altötting, darunter auch mein Vater. Er fing mit einem geliehenen Pferdewagen an und relativ schnell begann er wieder mit Textilien zu handeln. Für einige Zeit leitete er eine kleine Näherei im Zentrum Altöttings. Nach der Heirat mit meiner Mutter übernahm er ein größeres Textilgeschäft im Hotel Post.
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