… ein sehr gutes und wichtiges Nachschlagewerk
Von Maurice Schuhmann
»Alle Macht den Räten!« hieß einst ein Song der deutschsprachigen Hiphop-Formation Anarchist Academy. Der Rätekommunismus erlebt heute ein Stück weit in der linken Szene eine Renaissance. Bereits 2021 erschien beim Schmetterling Verlag die Einführung »Rätekommunismus« von Felix Klopotek und der kleine anarcho-syndikalistische Verlag »Syndikat A« publiziert mittlerweile seit mehreren Jahrzehnten klassische Texte des Rätekommunismus. Im Gegensatz zu anderen Formen des marxistisch-geprägten Kommunismus wie dem klassischen Marxismus-Leninismus klebt an den Händen dieser Strömung weit weniger Blut und die fehlende Macht in der Geschichte hat sie ein Stück weit ihre Unschuld bewahren lassen. Auch die Nähe zum kommunistischen Anarchismus, der wie im Falle von Erich Mühsam auch rätekommunistische Ideen übernahm, trägt zur positiven Lesart bei.
Nun liegt ein sehr umfangreiches und kompetentes Personenlexikon des deutschen Rätekommunismus zwischen 1920 und 1960 in gedruckter Form vor, bei dem Felix Klopotek als einer der Herausgeber fungiert. Es wurde ursprünglich 2017 kostenfrei in seiner deutschsprachigen Fassung mit Porträts einzelner Personen als Datei ins Netz gestellt und nun mit einem Vorwort versehen als Druckfassung herausgegeben. Hierfür wurde es kritisch durchgesehen und partiell korrigiert. Das Lexikon selbst wurde von dem holländisch-deutschen Linkskommunisten und Historiker Philippe Bourrinet erstellt, der eine Reihe von Publikationen zu jenem Aspekt der Sozialgeschichte verfasst hat – darunter unter anderem »The Dutch and German Communist Left (1900-1968)« (Haymarket Books, 2018).
Das Jahr 1920 als Beginn ist aus zweifacher Hinsicht von Interesse. Einerseits umgeht man hier die Debatte um die Einordnung von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und den Räten in der deutschen Revolution von 1918/19, andererseits markiert das Jahr 1920 auch die Gründung der KAPD, einer rätekommunistischen Abspaltung der KPD. Der eng mit der KAPD assoziierte Gewerkschaftsverband AAUE entstand im darauffolgenden Jahr und zehn Jahre darauf die KAU. Das Jahr 1960 markiert hingegen den Tod des einflussreichen, niederländischen Rätekommunisten Anton Pannekoek.
Zur Einordnung des Forschungsgegenstands gibt es sowohl ein pointiertes Vorwort seitens der Herausgeber als auch vom Autor. Die unzähligen Beiträge enthalten wichtige biographische sowie auch viele bibliographische Angaben. Insgesamt ist damit ein sehr gutes und wichtiges Nachschlagewerk für jenes Forschungsgebiet entstanden. Vom Charakter her ist es eine klassische Publikation für Bibliotheken und weniger für einzelne Leser*innen, wenn diese nicht gerade zu jenem Thema forschen. Ein Blick hinein – und nicht nur zu Leuten wie Karl Korsch – lohnt sich aber auf jeden Fall.